Schwester Nadja Brüggemann hilft der Ärztin dabei. Die pensionierte OP-Krankenschwester, die 33 Jahre lang in der Oststadtklinik gearbeitet hat, misst den Blutdruck, wechselt Verbände und reinigt Wunden. Seit vier Monaten unterstützt sie das Team in der Tagesstätte und hilft fast täglich mit. Wenn es nichts Medizinisches zu tun gibt, sortiert sie Pullover, Hosen und Schuhe in der Kleiderkammer oder schöpft Suppe bei der Essensausgabe. „Zu tun gibt es hier immer“, sagt die 66jährige. Wenn aber Dr. Rustom zur Sprechstunde bittet, blüht auch Schwester Nadja auf: „Ich habe meinen Beruf damals gewählt, um Menschen zu helfen. Hier kann ich das immer noch“, erklärt sie ihre Motivation für ihren ehrenamtlichen Einsatz. Dr. Jasmin Rustom ergänzt: „Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, da sollte es selbstverständlich sein, dass man benachteiligten Menschen hilft. Und es kommt auch sehr viel von unseren Patienten zurück, sie sind sehr dankbar“, weiß die Ärztin, die seit sieben Jahren alle zwei Wochen zur Wohnungslosen-Sprechstunde bittet.
Meist sind es kleine Beschwerden mit denen die Wohnungslosen zu Schwester Nadja und Dr. Rustom kommen: Erkältungen und Grippe sind häufig, „weil Viele draußen schlafen und so der Kälte und schlechter Witterung ausgesetzt sind“, erklärt Schwester Nadja. Dazu kommen Magenprobleme, Gefäßerkrankungen oder Altersdiabetes wegen schlechter Ernährung und übermäßigem Alkoholkonsum. Wenn es an den Füßen oder unter den Achseln juckt, sind es häufig Pilzerkrankungen, die sich eingeschlichen haben – kein Wunder, bei oftmals mangelhaften hygienischen Bedingungen, unter denen die Wohnungslosen leben müssen. Aber Jasmin Rustom und Schwester Nadja wissen immer Rat und geben den Patienten die medizinische Hilfe, die sie brauchen: Erkältungsmedikamente bei Husten und Halsschmerzen, Salben gegen Pilze, Verbände bei offenen Wunden. Finanziert werden die Medikamente durch den Dieter-Weber-Fonds. „Leider sind unsere diagnostischen Möglichkeiten hier etwas eingeschränkt“, beschreibt Dr. Jasmin Rustom ihre Situation: „Mit einem EKG-Gerät oder einem Ultraschall könnten wir den Wohnungslosen noch deutlich besser helfen und gefährliche Krankheiten schneller erkennen.“
„Ein Patient hatte lange Zeit Beschwerden. Er hat sich aber nicht zum Arzt getraut, weil er glaubte, keine Krankenversicherung zu haben. Schließlich wurde es so schlimm, dass er in unsere Sprechstunde gekommen ist“, erzählt die Ärztin eine der seltenen tragischen Krankheitsgeschichten. Bei dem wohnungslosen Patienten wurde Magenkrebs erkannt. Zu spät, denn wenige Wochen später starb er. „So etwas wollen wir mit unserem Angebot vermeiden“, verdeutlicht Rustom die Notwendigkeit des Caritas-Angebots. „Gerade Menschen, die sich illegal in Mannheim aufhalten, haben ja eigentlich nur in ihrem Heimatland Anspruch auf Krankenversicherung. Trotzdem werden die auch in Deutschland krank. Wer hilft ihnen dann?“, stellt Tagesstätten-Sozialarbeiter Christian Deimel die richtigen Fragen.
Einer, der ebenfalls hilft, wenn Wohnungslose krank werden, ist Dr. Hartwig Becker, der mit einem Kollegenteam eine ärztliche Sprechstunde für bedürftige Menschen in der Notübernachtungsstelle der Stadt Mannheim in der Bonadiestraße anbietet. Auch hier kümmern sich einmal pro Woche ehrenamtlich ein Arzt und eine Arzthelferin um die Beschwerden der bedürftigen Patienten. „Es ist wichtig, dass wir den Menschen zuhören, sie ernst nehmen und mit ihnen reden. Viele der Wohnungslosen haben große Berührungsängste, trauen sich nicht zu einem niedergelassenen Arzt, weil sie nicht versichert sind, die Praxisgebühr nicht zahlen können oder nicht so gut riechen und sich deshalb schämen“, weiß der Mediziner. Häufig mündet die Sprechstunde dann direkt in eine unverbindliche Sozialberatung: „Bei Bedarf kümmern wir uns auch um die Vermittlung zu Krankenkassen oder geben Empfehlungen für ein Wohnheim“, erklärt Dr. Becker, und: „Gute Medizin ist doch immer auch ein bisschen Sozialberatung.“
So sind es häufig kleine Erfolge, welche die Mediziner erreichen: Dr. Jasmin Rustom erzählt gerne von ihrem Patienten, der aufgrund seines Alkoholkonsums ein Leberleiden hatte. Nach der Behandlung erkannte er seine Chance und machte einen Entzug. Noch immer lebt er auf der Straße – es geht ihm aber deutlich besser.
„Um die medizinische Situation der Wohnungslosen zu verbessern, bräuchten wir mehr aufsuchende Hilfen, um direkt vor Ort Hilfe anzubieten“, beschreibt Schwester Nadja, was man besser machen könnte. „Es ist traurig, dass Menschen in Deutschland so leben müssen. Aber es ist gut, dass etwas für diese Menschen getan wird“, so die engagierte Krankenschwester.
Information: Die offene Sprechstunde in der Caritas-Wohnungslosentagesstätte in D 6,7, findet alle zwei Wochen mittwochs von 9 Uhr bis 10 Uhr statt. Genaue Termine können vor Ort oder unter der Telefonnummer (06 21) 1 78 37 42 zu erfragen.
Die offene Sprechstunde in der städtischen Notübernachtungsstelle in der Bonadierstraße findet jeden Donnerstag zwischen 19 Uhr und 20 Uhr statt.
Autor: wepi
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